Heute mal ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Fotografie…
Anfang der 90er Jahre habe ich auf einem Flohmarkt drei Papp-Behältnisse mit jeweils 24 ChlorBrom-Glas-Diapositiven im Format 83x83mm zum Thema Wanderungen durch die Schweiz entdeckt und gekauft. Die Reihe unter dem Titel „Projection für Alle“ stammt schätzungsweise aus den Jahren um 1910. Bei einem kürzlichen Aufenthalt im Berner Oberland ergab sich die Gelegenheit einige Motive, Perspektiven „nachzufotografieren“ und so zu vergleichen was sich in 100 Jahren verändert hat. Vor der digitalen Fotografie, vor dem Zelluloid-Film wurden Bilder auf Glasplatten aufgenommen. Als Fotoplatte bezeichnete man eine mit einer lichtempfindlichen Emulsion beschichtete Platte aus Metall oder Glas.
Zur Geschichte der Fotografie – Die FotoGlasPlatte
Glas war das erste verfügbare Trägermaterial – erst mit der Erfindung des Zelluloids wurde die Herstellung von Filmen möglich. Filme waren leichter und ließen sich wesentlich besser handhaben als Fotoplatten. Außerdem bestand jederzeit eine hohe Bruchgefahr der Glasplatten.
Der Arzt Richard Leach Maddox entdeckte 1871 die Vorteile einer Gelatine-Bromsilber-Suspension und war mit seiner Erfindung, der von ihm entwickelten Bromsilber-Gelatine-Trockenplatte, einer der Wegbereiter der damals modernen Fotografie. Die Gelatine-Trockenplatte ermöglichte die Aufnahme ohne die sonst notwendige Nasschemie mitsamt einer entsprechenden Dunkelkammer am Aufnahmeort für die Sensibilisierung des Bildträgers – obendrein waren sie lichtempfindlicher als die bisher genutzten Kollodiumplatten und trugen ganz erheblich zur Vereinfachung und Verbreitung der Fotografie bei, was wiederum zu einer beginnenden industriellen Massenfertigung führte.
Das Gelatine-Trockenplatten-Verfahren war von etwa 1871 bis ins 20. Jahrhundert das gebräuchliche fotografische Verfahren. Es wurde vom fotografischen Film auf Zelluloid abgelöst. Die vorliegenden Diapositive wurden sicherlich in der Reproduktion mittels Kontaktverfahren hergestellt – wobei die speziell beschichtete Diapositiv-Platte auf das fotografierte Negativ gelegt, dann entwickelt, fixiert, gewässert und getrocknet wurde. Bei dem Verfahren wurde ebenfalls die Schrift einkopiert.
Leider verhüllte sich die Jungfrau bei der modernen Aufnahme etwas, aber man erkennt, dass sich in 100 Jahren die Ausdehnung des Gletschers doch erheblich verändert hat. Seit August 1912 gelangen Interessierte mit der Bahn auf das Jungfraujoch in 3454 Höhenmeter.
Auch bei dem Blick in die entgegengesetzte Richtung zum Männlichen erkennt man bei genauer Betrachtung, dass schon damals die Bahnstation ähnliche Formen hatte – lediglich ein paar Skilifte sind an den umliegenden Hängen hinzugekommen.
Die Aufnahme von Brienz wurde aus einem Kajak auf dem Brienzer See gemacht. Man erkennt auch hier, dass sich das markante Panorama der Stadt und des Rothorns kaum geändert haben.
Für Interessierte besteht die Möglichkeit Repros der Wanderungen „Interlaken und das Hochgebirge“, „Luzern und der Vierwaldstätter-See“, „Von Zürich nach Lugano“ anzuschauen.
Eine spannende Entwicklung von der Glasplatte über den Film zum digitalen Bild – mal sehen wo die Reise hingeht.
Feedback, Fragen ?!? ==> foto@stefan-effner.de
6 Gedanken zu „Zur Geschichte der Fotografie – Die FotoGlasPlatte“
Danke für die tollen Impressionen! Ich habe vor vielen Jahren eine ganze Kiste mit Glasplatten geschenkt bekommen. Nach Jahren im Keller habe ich nun angefangen sie zu entstauben und zu scannen. Seit einigen Jahren fotografiere ich zusätzlich analog und habe mich an die Platten im Keller erinnert. Es sind Negative und hauptsächlich Theateraufnahmen. Kannst du mir sagen ob ich was besonderes beachten muss beim entstauben?
Vielen Dank und beste Grüße aus Ludwigsburg, robert
Hallo Robert und sorry für die „Verspätung“ …
… also, ich bin da kein „Experte“ für die richtige Handhabung der alten Schätzchen – aber ich denke mit einem weichen Tuch/AntiStatic oder auch Wasser kann man nix falsch machen ….aber evtl. hast Du ja bereits ein viel bessere, sichere Methode gefunden !?!
Super gemacht ! Ich mache die gleiche Vergleiche .
Danke für das Feedback …ja, spannendes Thema, reizvolle „Geschichte“ …
1980 hatte ich ca. 1000 Gelatine -Trocken- Negativ-Glasplatten
von meinem Großvater geerbt.
Er hatte sie in einer hinteren Ecke im Stall gelagert.
Entsprechend verdreckt und lädiert war dann auch ihr Zustand.
Ich hatte sie sehr vorsichtig in lauwarmem Wasser mit etwas Spülmittel
gereinigt.
Das Spülmittel sollte die Oberflächenspannung des Wassers verringern,
damit beim anschließenden Trocknen keine Wassertropfenflecken
auf den Platten zurückblieben.
Die mit der Gelatineschicht versehene Seite behandelte ich äußerst vorsichtig
mit einem weichen Waschlappen, weil sie durch den Wasserkontakt deutlich
aufweichte.
Das anschließende Trocknen erfolgte bei Zimmertemperatur auf einem
eigens gebauten Trocknungsgestell aus Holz.
Das war ähnlich wie ein Tellertrockner konstruiert.
Verhindert werden musste lediglich, dass sich die Platten berühren
und nur leicht in die Kerben der beiden Halteleisten hineinragten.
Die Konstruktion ähnelt den Beinen eines Klappschemels, die sich
scherenartig spreizen.
Ist auch online zu finden.
Wichtig ist dann die trockene Lagerung in Spezial-Papiertüten, die
Ähnlichkeit mit Butterbrotpapier haben.
..besten Dank für die interessante Geschichte und die Tipps zur „Reinigung“ – erinnert mich stark an meine „Lehrzeit“ …als ich noch mit Glasplatten in 18x24cm mit alten Düsseldorfern Motiven hantierten durfte 🙂